Der bayerische Schriftsteller Ludwig Thoma war kein Braver und heilig war ihm gar nichts. So wird Jörg Herweghs Ludwig Thoma-Abend auch keine brave Heiligenverehrung. Doch einige bekannte und viele unbekannte Stückerln, Erzählungen und Geschichten, die Herwegh zum besten gibt, zeigen die Vielseitigkeit dieses sprachgewaltigen Kraftprotzes, der innerlich aber zerrissen war. Stationen seines Lebens wie das scharfzüngige Schreiben für das Satireblatt “Simplicissimus” wie auch die unsäglichen Hetzartikel in seinen letzten Lebensjahren werden angeleuchtet.
Aus der aktuellen Kritik im ovb:
Jörg Herwegh hat dem bayerischen Autor gleich ein abendfüllendes Programm gewidmet. Er rezitierte Gedichte, spielte Szenen seiner bekanntesten Stücke und las Auszüge aus seinen Romanen. Dazwischen erzählte er aus Ludwig Thomas Leben, das aufgrund seines Vermögens aus Honoraren und Tantiemen recht komfortabel gewesen sein durfte. "Wer sechs Ross im Stall hat, ist ein Bauer und sitzt im Wirtshaus beim Bürgermeister und beim Ausschuss. ...Wer aber gar kein Ross hat und seinen Pflug von ein paar mageren Ochsen ziehen lässt, ist ein Häusler und muss das Maul halten. Im Wirtshaus, in der Gemeindeversammlung und überall." So treffend schilderte Thoma in seiner Erzählung "Der heilige Hies" die ländlichen Hierarchien der damaligen Zeit. Jörg Herweghs recht gelungene Auswahl an Texten beleuchte nicht nur die facettenreiche Dichterpersönlichkeit, sie zeigte auch deren Schattenseiten mit einer wohl innerlichen Zerrissenheit. So umwarb Thoma heftigst die verheiratete Maidi Liebermann aus der jüdischen Sekt-Dynastie Feist-Belmont, wetterte aber zugleich in unzähligen Artikeln im Miesbacher Anzeiger gegen das Judentum. Ihm wohl gesonnene Zeitgenossen erklärten später seine publizistischen Entgleisungen als Folge einer Verwirrtheit, die aufgrund seiner Magenkrebserkrankung entstanden sei, an der er im August 1921 schließlich auch verstarb.
Einzigartig hingegen war sein Talent, dem "Volk aufs Maul zu schauen", wie er unter dem Pseudonym Peter Schlemihl in der Zeitschrift "Simplicissimus" oder in seinen zahlreichen Theaterstücken bewies.
Jörg Herwegh spielte mit Bravour die einzelnen Rollen in "Gelähmte Schwingen" oder begeisterte in "Erster Klasse" als Josef Filser, Ministerialrat von Scheibler, Kaufmann Friedrich Wilhelm Stüve aus Neuruppin oder Kondukteur in einer Person. Auch eine der Schlüsselszenen aus den Lausbubengeschichten mit Tante Frieda und ihrem Papagei Lorchen durfte da natürlich nicht fehlen. Nur vom Harfenspiel und Hosiannasingen als "Wasserburger im Himmel" und Engel Aloisius war er selbst bekannterweise weniger begeistert, dafür das Publikum umso mehr. Es wollte Jörg Herwegh als grandiosen Ludwig-Thoma-Rezitator am Schluss nicht mehr von der Bühne lassen."
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Unifoto in Rosenheim
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